V.l. Dr. Claudia Marwede-Dengg, Susanne Haun, Dr. Gregor Gysi, Roswitha Geisler

„Mit so vielen Besuchern habe ich gar nicht gerechnet,“ sagt Susanne Haun und schaut sich im Galeriesaal, in dem wir unsere gemeinsame Ausstellung „Schau Mich An“ präsentieren, um.
Oh ja, alle Stühle sind besetzt und nicht nur das.

Das Interesse ist groß, so dass nicht alle Besucher einen Sitzplatz finden

Auch die Tische werden kurzerhand von den Gästen als Sitzgelegenheiten zweckentfremdet, die anderen reihen sich an den Wänden entlang, stehen in Gruppen beisammen, lehnen sich in den Durchgang und viele stehen sogar noch draußen.

„Wir sind mit dem Fahrrad gekommen,“ erzählt eine quecksilbrige, blonde Dame und ihr Mann nickt, „wir besuchen hier fast jede Vernissage, aber diese hier ist einfach besonders und spannend. Denn malerische Portraits sieht man heutzutage ja eher selten.“

Herr Dr. Gysi lässt sich von den Künstlerinnen durch die Ausstellung führen

Bevor ich antworten kann, betritt Herr Dr. Gregor Gysi, der Schirmherr dieser Ausstellung, den Saal, lässt sich interessiert und bestens gelaunt von uns durch die Ausstellung führen, entdeckt sogleich die beiden Portraits, die Susanne und ich jeweils von ihm gezeichnet haben, tritt dann lächelnd an das Rednerpult und nimmt in seiner kurzweiligen und humorvollen Art die Zuhörer mit auf einen kleinen Ausflug in die Portraitkunst.

Anschließend stellt die Kunsthistorikerin Frau Dr. Claudia Marwede-Dengg in unterhaltsamer Weise Susanne Haun und mich vor, erklärt klug unsere künstlerischen Vorgehensweisen und Bildniskonzepte, erzählt, dass die Abbildung des menschlichen Gesichts zu jeder Epoche ein zentraler Aspekt künstlerischen Schaffens war und vermittelt den Besuchern, dass hier in dieser Ausstellung die Portraits dem Betrachter teilweise direkt in die Augen schauen und ihm dadurch quasi richtig nahe kommen.
Und das stimmt.

Denn Susanne und ich möchten, dass die Besucher hinsehen, dass sie genau beobachten, sich vielleicht wundern, dann noch einmal hinschauen und eventuell noch einmal, und dann angeregt zu rätseln beginnen, wer und wie das denn sein könnte und was es wohl zu bedeuten hat.
Denn erst so wird das Bild lebendig.

„Sagen Sie mal, womit zeichnen sie eigentlich diese filigranen Linien und welche spezielle Bedeutung haben diese?“ fragt mich ein Herr mit Bart und Rucksack, und ich erkläre, dass ich damit Musik in Bilder verwandeln möchte, ganz subjektiv, während eine resolute, weisshaarige Dame in Erwägung zieht, doch noch einmal nach langer Pause mit dem Zeichnen anzufangen, denn sie fühle sich von dieser Ausstellung total inspiriert.
Eine junge Frau im wunderschönen bunten Blumenkleid ist fasziniert von dem Nina-Portrait, eine andere erkundigt sich nach der Tuschezeichnung in der Ecke rechts, ein Ehepaar möchte wissen, wie lange es dauert, ein Kinderportrait anfertigen zu lassen, Fragen werden gestellt, Gespräche geführt, Kuchenteller und Kaffeetassen gefüllt, Wasserflaschen geleert, Gitarre gespielt, diskutiert und gelacht, und niemand konnte hören oder sehen, wie der Berg, der tagelang vor mir gestanden hatte, sich leise bröselnd verabschiedet, sich erst in Staub und dann in Luft auflöst.

Herr Dr. Gysi fotografiert die Portraits, die Susanne Haun und ich von ihm gezeichnet haben

Ja, und dann gibt es auch noch Rosen für uns, in den schönsten Farben, die man sich vorstellen kann, Wolfgang Dürr, der Kurator dieser Ausstellung im „Schmetterlingshorst“, trägt eine große Vase heran, Herr Dr. Gysi fotografiert die Portraits, die Susanne und ich von ihm gezeichnet haben und später trinken wir noch Prosecco, schauen auf die alten Kastanienbäume und den stillen See und denken daran, wie schön das Leben doch sein kann.

Übrigens: Die Ausstellung ist noch bis zum 6. Oktober 2019 in „Schmetterlingshorst“ zu besichtigen!
Zum Schmetterlingshorst 2, 12559 Berlin
Tel: 030-61 67 48 61, http://www.schmetterlingshorst.de

(Fotos Nr. 1, 5 und 6: Dr. W.Reich und Fotos Nr. 2, 3, 4 und 7: M.Fanke)