“Heide und Helga”, so ist die Zeichnung betitelt, welche auf diesem Foto in der Hand einer sehr netten Dame zu sehen ist. Ja, ihr ahnt es schon – Heide und Helga sind Zwillinge. Leider mußte Helga zum Fototermin wegen einer Erkältung das Bett hüten, so daß hier nur Heide zu sehen ist.
Das Foto, das mir als Vorlage für dieses Doppel-Portrait diente, passt perfekt zu meinem Projekt „Jünger und älter“. Es zeigt die Zwillinge in niedlichen, rotgemusterten Dirndlkleidern und stammt aus dem Jahr 1941.
Mit Stolz trugen sie dazu blütenweiße, kleine Schürzen und große Haarschleifen, so wie es damals sehr beliebt war.
Heide und Helga waren zu der Zeit vier Jahre alt. Mit ihren drei Geschwistern wuchsen sie in dem einst prächtigen Königsberg auf, hatten immer jemanden zum Spielen und Herumtoben, und waren ein unzertrennliches, lustiges Gespann.
Leider währte die glückliche Kindheit nur kurz. In dem sehr kalten Winter 1945, als die Zwillinge sieben Jahre alt waren, ging der Krieg in die letzte entscheidende erbarmungslose Phase.
Zuerst versuchte ihre Mutter, mit ihnen auf die „Wilhelm Gustloff“ zu kommen, und als ihnen das nicht gelang, brachen sie in einem der letzten Viehwaggons Richtung Westen auf.
Zusammen mit einer Tante und deren vier Kindern machten sich also zwei junge Frauen mit insgesamt neun kleinen Kindern auf den weiten, gefährlichen Weg in eine ungewisse Zukunft.
„Wir hatten zwei Eimer Zucker dabei,“ erzählt Heide, „ich denke, nur damit haben wir die lange gefahrvolle Reise überlebt.“
Endlich im Westen angekommen, fingen sie ein bescheidenes neues Leben an.
„Mein Traum war es, etwas mit Schmuck zu machen,“ erzählt Heide, „so gerne wäre ich Goldschmiedin geworden oder Diamantschleiferin, vielleicht auch Schmuckdesignerin oder Juwelierin.“
Heide lernte jedoch etwas „Ordentliches“, übte Steno, Schreibmaschine und Rechnungswesen und wurde kaufmännische Angestellte, Helga entschied sich, als Apothekenhelferin tätig zu sein.
Und heute?
Vor wenigen Tagen feierten die Beiden sage und schreibe ihren 80. Geburtstag!
Ja, wirklich. Man glaubt es kaum, wenn man sie so sieht.
Dafür hatten sie etwas Spezielles geplant: ihren schönen Ehrentag wollten sie während eines gemeinsamen Wellness-Urlaubs auf einer Schönheitsfarm verbringen.
Selbstverständlich inklusive eines perfekten „Rundum-Verwöhn-Programmes“.
Ganz klar, dass sich das dort in Windeseile herumsprach und sie im Mittelpunkt des Interesses standen.
Von allen Seiten wurden sie mit Glückwünschen und Gratulationen bedacht, so dass sie sich kaum retten konnten.
Denn 80-jährige Zwillinge, und so hübsche noch dazu – ist das nicht wirklich etwas ganz Besonderes?
13. November 2017 at 10:35 pm
Die vordere scheint freier zu sein?!
80 muß heute kein Thema mehr sein, ich weiß das!
14. November 2017 at 9:47 am
Da hast du völlig recht, Gerhard. Achtzig Jahre erreicht zu haben, das muss heute kein Thema mehr sein. Denn so lange man gesund oder einigermaßen gesund ist, steht die Welt nach wie vor offen. Mein Onkel ist 93 Jahre alt, fit und gesund, er fährt Auto, erledigt alles am PC und genießt mit seiner Frau das Leben.
Wie schön so etwas doch ist!
Nebelige Grüße aus dem Bergischen Land!
14. November 2017 at 7:49 am
Ja, das ist etwas Besonderes. Und sie scheinen glücklich und zufrieden zu sein. Nicht selbstverständlich nach den schrecklichen Erlebnissen des Krieges, die viele dieser Generation bis heute nicht verarbeitet haben. Ich bin selber mit Zwillingen aufgewachsen. Da herrscht ein ganz besonderes Band der Zugehörigkeit. LG Simone
14. November 2017 at 9:58 am
Oh ja, die Beiden sind glücklich, lustig und unternehmungslustig. Sie genießen und schätzen das Leben, und alles, was es für sie bereit hält. Heide sagte mir einmal, dass das Glücksgefühl generell mehr von den persönlichen Eigenschaften abhängt als von äußeren Faktoren. Ich glaube, dass es dabei wichtiger ist, den Blick auf Fähigkeiten zu richten anstatt auf Einbußen. Und das, egal wie alt oder jung man ist.
Grüße aus dem Novembernebel…..
14. November 2017 at 5:48 pm
Da stimme ich zu! Sich auf das zu konzentrieren, was da ist und nicht was fehlt, verhilft zu mehr Dankbarkeit.
14. November 2017 at 5:57 pm
Du sagst es: Oft nehmen wir die schönen und positiven Dinge in unserem Leben für selbstverständlich und übersehen dann das, was gut und schön ist. Dabei ist Dankbarkeit einfach der schnellste Weg, um glücklich zu sein..
14. November 2017 at 12:37 pm
Eine interessante Geschichte und wieder sehr schön gemacht. Einen schönen Tag wünsche ich dir. Klaus
14. November 2017 at 12:47 pm
Vielen Dank Klaus, Das wünsche ich dir auch.
Grüße aus dem Bergischen Land von Rosie
14. November 2017 at 3:13 pm
Liebe Rosie, ich mag die Lebensfreude der Beiden und bestimmt schaffen sie damit die 100! Und deine Zeichnung – genial. Ich verneige mich vor deinem Können – gleich bewegt sich die Zeichnung und lacht schallend durchs Netz 😄 Liebe Grüsse
14. November 2017 at 6:31 pm
Danke für dein schönes Lob, Erika! Ich musste lachen, als ich deinem Kommentar las! Wie schön!
Weißt du, das ist genau das, was ich mit und in der Zeichnung zeigen möchte: zwei kleine Mädchen voller Lebensfreude, die einfach nur glücklich sind. Meine Intention ist es nämlich immer, bei einer Portrait-Zeichnung nicht einfach nur abzubilden, sondern auch das zu zeigen, was man auf den ersten Blick nicht sieht.
Und das Heide und Helga immer noch voller Lebensfreude und glücklich zusammen sind, sieht man ja auf ihrem „Geburtstagsfoto“.
Liebe Grüße aus dem Bergischen Land…
14. November 2017 at 4:48 pm
Das ist eine sehr bewegende Geschichte. Dabei können die Damen noch froh sein, daß es mit der „Wilhelm Gustloff“ nicht geklappt hat, deren dramatisches Schicksal ja hinlänglich bekannt ist. So konnten sie sich auf die bessere Seite des Schicksals schlagen und ihre Leben genießen. Die Zeichnung ist toll, sie bringt dem Betrachter die Stimmung der damaligen Zeit aus der Sicht von Kindern nahe. Sehr schön!
Liebe Grüße
14. November 2017 at 6:59 pm
Vielen 1000-Dank für dein schönes Lob. Ja, es macht mir viel Freude, mich mit dieser Serie zu beschäftigen. Es sind immer wieder berührende und emotionale Geschichten, die hinter diesen Bildern stehen.
Ich finde, Heide und Helga sind ein großartiges Beispiel dafür, dass man trotz schrecklicher Kindheitserlebnisse seine Lebensfreude, Liebe und Zuversicht behalten oder wiederfinden kann, indem man mit Mut und Dankbarkeit sein Leben selbst in die Hand nimmt.
14. November 2017 at 6:54 pm
Ich bin wieder einmal unheimlich angetan von deiner Zeichnung, der Art, wie du die Lebensgeschichte der beiden Damen dazu erzählst und von den von dir gezeichneten noch mitten im Leben stehenden Damen natürlich auch! Ich hätte mich gehörig beim Alter verschätzt!
Wie schön, dass sich dieses Gefühl von Glück und Zufriedenheit bis heute bei ihnen so gehalten und offenbar stets durchgesetzt hat. Man kann wirklich nicht sagen, dass immer alles reibungslos und nach Plan verlief und trotzdem … Es ist offenbar eine innere Einstellung.
Ein wieder sehr, sehr anschauens- und lesenswerter Blogpost! Ich hoffe, der erkrankten Zwillingsschwester geht es mittlerweile wieder besser.
LG Michèle
14. November 2017 at 8:39 pm
Ja, Michele, die beiden Damen sehen so jung, lebensbejahend und frisch aus, so dass man ihnen die 80 Jahre kaum abnimmt.
Weißt du, Heide sagte bei unserem Gespräch: „Ich bin jeden Tag glücklich…mein Leben ist einfach wunderbar.“
Ich denke, um Lebensfreude zu empfinden, muss man nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens geboren sein, denn in jedem stressigen Alltag finden sich immer wieder mal kleine Nischen, in denen man das Leben feiern kann.
Es gibt ein Sprichwort, in dem es heißt; „Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.“
Genau das habe ich festgestellt: nämlich dass man, wenn man dies tut und mit offenen Augen durch das Leben geht, sehr schnell merkt, wie ansteckend Lebensfreude sein kann.
Grüße aus dem Novembernebel….
von Rosie
14. November 2017 at 10:58 pm
Was für eine berührende Geschichte. Danke für’s Teilen. Und die Zeichnung ist super!
Herzliche Grüße. Priska
16. November 2017 at 2:33 pm
Vielen Dank, Priska. Ja, die Geschichte von Heide und Helga ist sehr berührend und es ist wunderbar und auch bewundernswert, dass die Beiden heute so ein zufriedenes und glückliches Leben führen können. Denn es gibt auch heute noch viele Menschen, die unter den Traumata des 2. Weltkrieges leiden. Ich habe vor ein paar Jahren einen Film angeschaut, betitelt „Wolfskinder“, in dem von Kindern im nördlichen Ostpreußen berichtet wird, die um 1945 an versucht haben, bzw. versuchen mussten, ganz allein zu überleben. Der Film entstand aus Berichten von Zeitzeugen.
Herzliche Grüße an dich!
15. November 2017 at 8:07 am
Was für ein Geschenk, als Geschwister den 80-jährigen Geburtstag zusammen zu verbringen. Ich sende nachträglich herzliche Glückwünsche. Du hast die beiden sehr fröhlich dargestellt, eine schöne Erinnerung.
Liebe Grüße von Susanne
16. November 2017 at 2:44 pm
Da hast du recht, Susanne. Ein 80. Geburtstag ist immer ein Geschenk (so wie es eigentlich jeder Geburtstag ist), und wenn ihn dann noch Zwillinge zusammen begehen können, umso mehr! In meiner Heimatzeitung las ich vor einiger Zeit einen Bericht über zwei sehr rüstige Damen, die ebenfalls als Zwillinge zusammen ihren sage und schreibe 98. Geburtstag (!!) feiern konnten. Es war ein Foto dabei, dass sie gut gelaunt und Arm in Arm während eines Strandspaziergangs zeigte.
Liebe Grüße aus dem Novemberwetter….
von Rosie
17. November 2017 at 11:36 am
Das ist beachtlich, Rosie, wenn man noch spazierengehen kann und nicht alleine ist, dann machen 98 Jahre sicher sehr viel Spaß!
LG von Susanne
18. November 2017 at 1:18 pm
Davon bin auch ich überzeugt. Es ist ein großes Glück, wenn man mit jemandem das ganze Leben lang zusammen sein kann.
Denn wie heißt es doch so schön?
„Geteilte Freude ist doppelte Freude!“
15. November 2017 at 9:40 am
Du, die Zeichnung, die Geschichte, die beiden Damen…. das alles berührt mein Herz. Danke dafür!
Einen lieben Gruß vom Oberbergischen ins Bergische 😉
16. November 2017 at 2:47 pm
Oh…das ist aber schön! Da sende ich doch sofort mal liebe Grüße ins Oberbergische zurück ( weit kannst du ja nicht sein…smile*).
Vielen herzlichen Dank auch für dein tolles Lob! Ich freue mich, dass du hier gewesen bist und ein wenig in meinem Skizzenbuch gestöbert hast.
Einen schönen Tag wünscht dir
Rosie
16. November 2017 at 7:36 pm
Ich wohne in Reichshof, an der Grenze zum Sauerland. Solltest Du also mal den hiesigen Vogelpark besuchen, setze ich Kaffee auf 😉
16. November 2017 at 7:48 pm
Reichshof kenne ich natürlich.. 🙂 Denn ein paar Kilometer davon entfernt bin ich zur Schule gegangen!
15. November 2017 at 12:41 pm
Was für eine berührende und schöne Geschichte! Und was für kluge Kommentare. Ich kann mich dem nur anschliessen. Immer wieder genial: Die Zeichnung.
16. November 2017 at 3:01 pm
Das ist schön, Walter, dass dir meine Zeichnungen gefallen – ich freue mich sehr darüber. 🙂
Es ist für mich jedes Mal unglaublich spannend, wenn ich etwas über die Person erfahre, deren Portrait ich zeichnen darf. Denn jeder Mensch hat seine eigene, ganz persönliche und besondere Geschichte, die ihn im Laufe des Lebens zu dem gemacht hat, der er heute ist. Das Kinderbild der beiden niedlichen Zwillinge, das mir hier als Vorlage diente, rührte sogleich das Herz an. Man konnte ein wenig Schüchternheit ablesen, aber auch Glück, Freude am Leben und grenzenloses Vertrauen.
19. November 2017 at 4:54 pm
Ich wünsche den beiden Damen weiterhin viel Lebensfreude und Gesundheit. Übrigens dein Bericht finde ich Klasse…
27. November 2017 at 4:18 pm
🙂
Dankeeeee…für deinen Besuch und auch, dass du dir mein Skizzenbuch angeschaut hast.
Ja, auch ich wünsche den Zwillingen noch viele schöne, glückliche und lustige Jahre zusammen. Die Beiden sind wirklich ein Vorbild, denn sie genießen und schätzen das Leben, und alles, was es für sie bereit hält.
11. Dezember 2017 at 10:54 pm
Wie schon oft, bewundere ich auch diesmal, wie treffend Du Deine Portraits gestaltest! Dabei finde ich es nach wie vor faszinierend, wie Deine Vordergrund-Hintergrund-Gestaltung wirkt! Eine gute Idee, den Hintergrund farblich abzusetzen und darin einiges aus dem Leben und „der Welt“ der gezeichneten Personen zu erzählen. Das führt zu einem besseren Verständnis der abgebildeten Person, man bekommt dadurch eine gewisse Ahnung von ihr. … und das Bild wird runder! Die Portraits gefallen mir immer wieder sehr gut!
Alles Gute Dir und lieben Gruß, Michael
15. Dezember 2017 at 6:08 pm
Ich danke dir für dein schönes Lob, Michael! Ich freue mich, dass dir auch das Doppel-Portrait von Heide und Helga gefällt. Es ist für mich jedes Mal unglaublich spannend, wenn ich etwas über die Person erfahre, deren Portrait ich zeichnen darf. Denn jeder Mensch hat seine eigene, ganz persönliche und besondere Geschichte, die ihn im Laufe des Lebens zu dem gemacht hat, der er heute ist. Darum finde ich es immer an schönsten, wenn es mir gelingt, in meiner Zeichnung etwas von dem zu zeigen, was man auf den ersten Blick vielleicht nicht sieht.
Winterliche Grüße aus dem Bergischen Land…
von Rosie
10. April 2021 at 7:53 pm
Es ist Dir wieder gelungen, unglaublich viel Leben in Dein Porträt zu bringen, das ist wirklich einmalig. Diese Geschichte hat mir besonders gut gefallen, weil ich selbst ein Kriegskind bin, zwar einige Jahre jünger als die beiden, aber auch in Königsberg geboren mit Flucht, Vertreibung, Armut und allem, was dazu gehört, aber vor allem mit viel Dankbarkeit, dass es mir noch so gut geht und ich so viel machen kann.
Die beiden, Heide und Helga, würde ich gerne kennenlernen.
Liebe Grüße aus dem heute nasskalten Erftstadt
von Marie
13. April 2021 at 10:39 am
Dankeschön, liebe Marie! Dein Lob freut mich sehr. Ja, Heide und Helga sind zwei wunderbare, schon etwas ältere Damen, die sich jeden Tag an ihrem Leben freuen und es frohgemut genießen. Ich finde, Heide und Helga sind ein großartiges Beispiel dafür, dass man trotz schrecklicher Kindheitserlebnisse seine Lebensfreude, Liebe und Zuversicht behalten oder wiederfinden kann, indem man mit Mut und Dankbarkeit sein Leben selbst in die Hand nimmt. Wie schön so etwas doch ist!
Liebe Grüße aus dem Aprilwetter…
von Rosie
15. April 2021 at 5:23 pm
Da hast Du recht, es gibt so viele unzufriedene Menschen, da macht es richtig Freude, solche netten Damen zu erleben.
Liebe Grüße aus dem noch zu kalten Erftstadt Marie
15. April 2021 at 6:23 pm
Das stimmt, liebe Marie. 💝 Ich bin mit Heide schon seit über 20 Jahren befreundet und freue mich immer, wenn wir uns sehen. Ihre positive und immer gut gelaunte, strahlende Art ist herzerwärmend.
Liebe Grüße aus der Abendsonne…..von Rosie