Als ich ein Kind war, gab es in unserem Haushalt lange keine Fotokamera. Ich erinnere mich, dass mein Vater bei besonderen Gelegenheiten unseren Nachbarn, der eine Agfa Clack besaß, bat, einige Fotos zu machen. Ich glaube, das war einer von mehreren Gründen, warum ich schon im zarten Alter versuchte, Portraits zu zeichnen. Es gab ein Foto von meiner Cousine, die an ihrem ersten Schultag mit der Zuckertüte im Arm vor dem Schultor steht. Es regnete in Strömen, deshalb hielt meine Tante einen Schirm über sie. Dieses Foto gefiel mir nicht, denn ich sah etwas anderes.
Also nahm ich ein Blatt Papier und zeichnete die Situation neu: meine Cousine mit der Schultüte, dazu meine Tante ohne (!) Schirm und im Hintergrund statt des alten Schulgebäudes eine Wiese voller großer Tulpen, dazu ein knallblauer Himmel mit einer Sonne und Libellen, die umher flogen.
Ich hatte etwas dargestellt, was ich nicht sah. Sondern was ich gefühlt habe.
Und so gehe ich beim Zeichnen heute auch noch vor. So wie z.B. hier bei dem Portrait von Pierre. Der Hintergrund sieht anders aus, als eine Landschaft mit Apfelbaum und Wiese in der Realität aussieht. Und auch in dem Gesicht von Pierre habe ich versucht, in dem Sichtbaren auch das Unsichtbare zu zeigen. Nämlich das, was ich fühle, wenn ich ihn ansehe.
13. Januar 2015
Pierre
Posted by wholelottarosie under Artwork / Portraits, Portraits Kinder | Schlagwörter: Aquarell, Artwork, Bleistift, Buntstift, Graphitstift, Künstler, Kunst-Blog, Painting, Porträt, Tusche, Tuschezeichnung, Zeichnung |[29] Comments
13. Januar 2015 at 10:26 am
Das, was du fühlst, ist sehr, sehr schön… ♥
13. Januar 2015 at 10:40 am
Liebe Margot, bei manchen Portraits fällt es mir leicht, mich der zu zeichnenden Person sinnblidlich zu nähern, bei manchen ist es schwieriger. So ist es ja auch im Leben – man ein Mensch ist zugänglicher als ein anderer.
13. Januar 2015 at 10:31 am
Sehr süß, der kleine Pierre. Und wie immer hast Du das perfekt umgesetzt! LG Elke
13. Januar 2015 at 10:44 am
Vielen Dank, liebe Elke! Dein Lob freut mich sehr…..smile*
13. Januar 2015 at 10:41 am
Ich dachte eben auf den ersten Blick wirklich, das sei ein Foto mit gemaltem Hintergrund, also eine Collage oder so. Super gelungen. 🙂
13. Januar 2015 at 10:54 am
Es ist eine echte Zeichnung, liebe Pfefferschote. Wenn du auf das Bild klickst und es vergrößerst, kannst du alles deutlicher sehen und auch die einzelnen Striche der Zeichnung erkennen.
13. Januar 2015 at 11:30 am
Ja, das hatte ich dann ja auch, wie gesagt, auf den ersten Blick, finde das wirklich toll. 🙂
13. Januar 2015 at 10:46 am
… und das ist Dir sehr gut gelungen!
Gerade das machen ja Deine Zeichnungen aus, dass sie nicht fotografisch sind. Sie zeigen mehr, als ein Foto zeigen könnte. Und immer kannst Du das „Dahinter“, das „Innere“ sehr gut zum Ausdruck bringen!
Deshalb freue ich mich immer schön auf Dein nächstes Bild.
Lieben Gruß, M.
13. Januar 2015 at 11:09 am
Das sind aber schöne Worte von dir, lieber Michael….freu*. Ja, du hast recht, das ist mir immer ein Anliegen bei meinen Zeichnungen – zu versuchen, mehr zu zeigen, als das, was man auf den ersten Blick sieht. Und wenn mir das gelingt und ich es auch dem Betrachter vermitteln kann, bin ich glücklich damit.
13. Januar 2015 at 10:48 am
was für ein innovatives kind du warst und heute noch bist. ein wunderbares bild, wirklich feinfühlig.
13. Januar 2015 at 11:32 am
Ja, viele Dinge aus meiner Kindheit sind mir, wenn ich sie mir in Erinnerung rufe, sehr präsent. Denn Erinnerung ist das, was uns ausmacht. Meine Mutter sagte immer, dass ich kein anstrengendes Kind gewesen sei, denn ich hätte mich hauptsächlich mit mir selbst und der Umsetzung meiner Ideen beschäftigt.
13. Januar 2015 at 11:38 am
es klingt nach meiner mutter 😉
13. Januar 2015 at 1:30 pm
Dieses fragende, vielleicht sogar „forschende“ Jungengesicht spricht mich sofort an. Ich habe den Eindruck, dass ihn jeder liebhaben könnte, so wie er schaut.
Liebe 2015-Jahr-Grüße zu dir, liebe Rosie von mir, der Clara
13. Januar 2015 at 2:40 pm
Genau, liebe Klara, da hast du völlig recht, denn er ist einfach zu niedlich. Er hat auch noch eine jüngere Schwester, die ich ebenfalls gezeichnet habe. Deren Portrait werde ich demnächst auch hier zeigen…..
Auch für dich ein schönes und gesundes neues Jahr!
13. Januar 2015 at 7:58 pm
Sind die Bilder als Geschenk für die Großeltern gedacht? Später freuen sich die Enkel, wenn sie sich an der Wand hängen sehen.
13. Januar 2015 at 1:50 pm
Es ist unglaublich schön geworden. Alles Gute wünsche ich! Klaus
13. Januar 2015 at 2:49 pm
Vielen Dank für dein schönes Lob! Ich freue mich sehr darüber, dass die die Zeichnung gefällt. Viele Grüße aus dem Regen von Rosie
13. Januar 2015 at 2:13 pm
das mit dem Zeichen ohne Sicht nach Gefühl erinnert mich an mein Schreiben – darüber hinaus- Dein Bild? Daumen hoch…♥…
LG
Maccabros
13. Januar 2015 at 2:57 pm
Ja, lieber Maccabros, genau so ist es. Man muss beides zusammenbringen, das Sehen und das Fühlen. Denn richtiges Sehen bedeutet für mich, mehr als lediglich mit den Augen zu sehen. Ich denke, beim Dichten, so wie du es tust, ist es ähnlich. Es kommt nicht darauf an, einfach nur zu reimen. Es muss sich beim Lesen eine eigene Welt auftun.
13. Januar 2015 at 3:41 pm
Das ist der Vorteil des Zeichners er kann Dinge sehen (erfinden) die es nur im Fühlen gibt. Gut gelungen.
31. Januar 2015 at 11:37 am
Danke für das Komliment. Ja, du hast Recht. Das „Fühlen“ sichtbar machen, das ist auch meine Intention beim Zeichnen. Ich möchte nicht einfach nur abbilden, sondern mehr zeigen. Mehr als das, was man im ersten Moment sieht.
13. Januar 2015 at 8:23 pm
Liebe Rosie, ich mag deinen Diskurs zwischen Phantasie und Realität! Er kommt in der Zeichnung genauso klar hervor wie in deinem Text.
Liebe Grüße von Susanne
15. Januar 2015 at 1:53 pm
Liebe Susanne, das ist auch etwas, was mich an deinen Zeichnungen immer wieder fasziniert. Nämlich, wie DEINE Gedanken das Motiv in eine andere Sicht transferieren und dabei die Realität in die Phantasie hinein verändern. Ich denke da z.B. in dem Heft „Antoniusversuchungen“ an die Macht der Natur oder die Täuschung.
13. Januar 2015 at 9:09 pm
Oh Rosie, was für ein lebendiges Bild, dieser Blick…! Super hinbekommen.
LG 🙂
Sybille
15. Januar 2015 at 2:05 pm
Vielen, vielen Dank für dein schönes Lob, liebe Sybille….freu*. Man sagt ja: „die Augen sind der Spiegel der Seele“ und darum gehe ich beim Zeichnen in diesem Bereich immer sehr sorgfältig vor und versuche, diesen ganz bestimmten Blick einzufangen. Und wenn mir das gelingt und der Betrachtet es auch so empfindet, bin ich glücklich.
14. Januar 2015 at 7:03 pm
So ein schönes Portrait, liebe Rosie,
bin schon ein paar Mal wieder hierher gekommen, um es noch einmal anzuschauen! Einfach toll!
Liebe Grüße
Regina
15. Januar 2015 at 2:15 pm
Liebe Regina, ich freue mich sehr, dass es dir gefällt. Ich liebe es, Portraits zu zeichnen und es ist für mich jedes Mal spannend zu sehen, wie der Betrachter oder die portraitierte Person selbst darauf reagiert. Einmal zeichnete ich eine ältere Dame, die, als ich ihr das Portrait gab, in Tränen ausbrach. Ich dachte zuerst, sie sei enttäuscht, denn ich hatte sie ihrem Alter gemäß mit einer Menge Falten gezeichnet. Sie sagte jedoch: „Ja, so sehe ich aus. Aber man sieht in dem Bild deutlich, wie hübsch ich gewesen bin, als ich jung war.“
17. Januar 2015 at 8:34 am
Das ist sehr schön! Ein schöner Blick, eine gute Gabe.
Herzliche Grüße
31. Januar 2015 at 11:40 am
Vielen Dank, lieber Zeilentiger! Ja, beim Zeichnen lege ich den Fokus immer ganz besonders auf den Blick. Denn oft sagt ein Blick mehr als 1000 Worte. Denn manchmal kann auch ein Lächeln trügen.
Tief verschneite Grüße aus dem Bergischen Land