*
Nein, die Mutter der E. sieht ganz und gar nicht wie über siebzig aus. Eher wie die Gesundheit in Person. Kurz und sehnig, mit einer großen Menge schulterlangen, grauweißen Haares, und mit einem Paar Augen in dem grob geschnittenen Gesicht, die sie von einer Vierzehnjährigen gestohlen zu haben scheint.
„Yoga,“ sagt sie, „das ist das halbe Geheimnis. Ich habe damit nach dem Tod meines Mannes angefangen und später keinen Grund gesehen, damit aufzuhören. Jeden Tag fünfundvierzig Minuten, und ich bin heute gelenkiger, als ich es bei meiner Konfirmation war.“
Ich nicke, denn das könnte ja möglich sein.
„Und was ist die andere Hälfte des Geheimnisses?“ frage ich.
Die Mutter der E. lacht und zupft an ihren Perlenohrringen.
„Na, was glaubst du wohl? Ein Mann natürlich…keine feste Beziehung, nein, aber wir treffen uns ab und zu. Das ist irgendwie zu einem wichtigen Punkt in meinem Dasein geworden. Mein Gott, so alt, wie ich bin, da ist es wahrlich an der Zeit, dass man so einiges anfängt zu begreifen. Wie wäre es mit einem Dunkelbier und einem Käsebrot für euch beide?“
„Bring lieber einen Calvados,“ sagt die E. und lässt sich stöhnend in den Sessel fallen, „oder zwei. Ich hab`s nämlich im Rücken. Und bring dazu einen schwarzen Kaffee und ein paar Stücke von diesem Weihnachtskuchen, diesem Hans oder wie der heißt.“
„Hermann,“ sagt die Mutter und wirft einen prüfenden Blick auf die E., „der Kuchen heißt Hermann. Übrigens,“ setzt sie dann mit einem Hauch sanfter Ironie in der Stimme fort, „kenne ich eine durchaus überzeugende Yogaübung, die besonders für Leute mit steifen Lendenwirbeln und zu kurzen, hinteren Oberschenkelmuskeln geeignet ist. Sie ist ganz einfach. Ich kann sie euch nachher mal zeigen.“
Und das tut sie dann auch.
Und zwar nicht erst nachher, sondern sofort.
21. Dezember 2014
So geht`s
Posted by wholelottarosie under Artwork / Portraits, Skizzenbuch | Schlagwörter: Artwork, Bleistift, Buntstift, Erinnerungen, Gedanken, Graphitstift, Kunst-Blog, Notizbuch, Notizen, Porträt, Skizzen, Skizzenbuch, Skizzenbuch, Zeichnung |[26] Comments
21. Dezember 2014 at 3:26 pm
Ich hab das mal versucht – mit einem Yogakursus. Das war für mich „Strafe“, weil mir alles entweder zu langsam oder zu wenig war. Nix für mich. Aber ich habe das Glück, auch immer noch ziemlich gelenkig zu sein. Da spielen die Gene sicher auch eine Rolle. Ich wünsche Dir und Deinen Lieben von ganzem Herzen ein wundervolles Fest und einen sanften Rutsch in ein hoffentlich gesundes und glückliches Jahr 2015 – Gruss Elke
21. Dezember 2014 at 3:37 pm
Liebe Elke! Soviel ich weiß, gibt es bei den Yoga-Übungen verschiedene Schwierigkeitsgrade, von denen manche gar nicht so ohne sind. Aber so genau kenne ich mich damit nicht aus. Auch ich wünsche dir alles Liebe und Gute für die Feiertage und natürlich auch für das neue Jahr!
21. Dezember 2014 at 3:42 pm
Schöne Weihnachten und immer schön weiteratmen….
21. Dezember 2014 at 3:52 pm
Lach*…ja, das werde ich tun. Vielleicht fange ich auch mal irgendwann mit Yoga an….hm, könnte ja evtl. auch ein guter Vorsatz für das neue Jahr sein. Mal sehen. Schöne Feiertage auch für dich!
21. Dezember 2014 at 3:58 pm
Life Is A Minestrone…
wieder sehr gut geschrieben
GLG
Maccabros
21. Dezember 2014 at 4:15 pm
Hahaha…genau, da hast du völlig recht, lieber Maccabros. Life Is A Minestrone…bunt und voller kleiner und großer Überraschungen!
Danke für dein schönes Lob!
21. Dezember 2014 at 4:27 pm
Yoga und eine „dauerhaft lose Beziehung“ zu einem Mann, eine interessante „Wohlfühlkombination“. Ich gehe allerdings davon aus, dass der männliche Part dieser dualen „Wohlfühlkombination“ ausschließlich für die geistige Erbauung zuständig ist. Denn für die körperliche Erbauung hat diese bemerkenswerte Dame ihr Yoga! 😉
21. Dezember 2014 at 6:04 pm
Hahaha…lieber Lutz, es könnte sein, dass du recht hast. Genaueres entzieht sich jedoch meiner Kenntnis. 🙂
21. Dezember 2014 at 5:16 pm
Ja, solche Frauen bleiben lange fit, das ist ein Phänomen.
Wie schön, dass sie einen guten Freund hat.
Sowas beflügelt noch zusätzlich.
Gymnastik in jeder Form ist einfach nur gesund. Leider kann ich nicht mehr alles mitmachen, da ich im Stehen solche Übungen nicht machen kann.
Gehen kann ich wohl, aber die Arme hoch, dann ist Schluss.
Liebe Grüße Bärbel
21. Dezember 2014 at 6:15 pm
Liebe Bärbel, ja, es ist bewundernswert, wie fit und beweglich manche Menschen sind, obwohl sie schon einige Jahre auf dem Buckel haben. Und damit meine ich nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Vor einiger Zeit las ich von einem Marathon-Läufer, der 101 Jahre alt ist und die gesamte Distanz mitläuft. Ich glaube, es kommt einfach nur darauf an, Freude und Spaß am Leben zu haben und dass man sich nicht, wenn man körperliche oder andere Einschränkungen hat, davon unterkriegen lässt.
21. Dezember 2014 at 7:31 pm
Na ja, rennen kann ich nicht mehr.
Obwohl ich mit meinem Mann immer im Gleichschritt gewandert sind. Die Zeiten sind leider vorbei.
21. Dezember 2014 at 10:39 pm
Wie schön, dass ihr so viele schöne Gegenden zusammen erwandert habt, liebe Babs. Und auch wenn du es jetzt gezwungenermaßen leider langsamer angehen musst, so hast du doch viele schöne Erinnerungen an die Tage, als ihr die Gegend im Gleichschritt durchstreift habt.
21. Dezember 2014 at 5:57 pm
Kann ich mir perfekt vorstellen, diese Dame! Yoga mache ich nicht, aber tagtäglich 15 km auf dem Trainingsrad und wenn das Wetter passt, dann laufe ich sie auch.
Liebe Grüße, Brigitte
21. Dezember 2014 at 6:24 pm
Das ist toll, liebe Brigitte. Perfekt! So ein in der Wohnung stehendes Trainingsrad ist eine feine Sache, denn dann findet man nicht so schnell eine Ausrede, warum man sich gerade jetzt nicht sportlich betätigen kann. Eine Bekannte von mir hatte mal ihr Rad in der Nähe des Fernsehers aufgestellt und es sich zur Gewohnheit gemacht, jeden Tag während der Nachrichten 20 Min. zu trainieren.
21. Dezember 2014 at 7:13 pm
Wieder ein toller Eintrag in Dein Notizbuch, rundum. Vielen Dank!
Die Dame hat vollkommen recht, Bewegung, die Spaß ihr macht und einen lieben nahen Menschen zu haben, ist eine sehr gute Kombination!
Ich wünsche Dir frohe Feiertage! Lieben Gruß, M.
21. Dezember 2014 at 10:32 pm
Ich denke, jeder Mensch hat seine ganz individuellen Schlüssel, mit denen er seine Lebensfreude wecken kann. Bewegung, die Spaß macht, gehört bestimmt dazu. Und ein lieber, netter Mensch bestimmt auch. Danke für dein schönes Lob, lieber M.!
22. Dezember 2014 at 3:13 pm
schön, dich wieder zu lesen, ich wünsche dir ein gesundes, fröhliches und friedliches Fest, KLaus
4. Januar 2015 at 11:48 am
Vielen Dank, Klaus! Ich wünsche dir ein schönes neues Jahr, Gesundheit, Glück und Freude.
24. Dezember 2014 at 3:58 pm
Mit dem Yoga habe ich’s so überhaupt nicht. Aber Calvados, Kuchen und Männer – das gefällt mir als „Frischhalte-Kur“ im Alter. 😉
Herzliche Grüße! Ich wünsche dir wundervolle und harmonische Festtage! ♥
4. Januar 2015 at 11:49 am
Lach*…ja, liebe Margot, so eine „Frischhalte-Kur“ ist bestimmt nicht das Schlechteste. Und bestimmt findet sich auch noch die ein oder andere Zutat…..smile*
30. Dezember 2014 at 4:13 pm
Schön!
4. Januar 2015 at 11:50 am
Lieber Zeilentiger, vielen Dank für dein schönes Lob! Es freut mich, dass du hier mitliest…
4. Januar 2015 at 8:24 pm
Oh, und umgekehrt, liebe Rosie!
8. Januar 2015 at 8:37 am
Mehr, oh mehr davon !!!!
8. Januar 2015 at 8:42 am
Smile*…..ja, gerne! Wenn du Lust hast, noch ein bisschen zu scrollen, findet du noch mehr Seiten meines Skizzenbuches. Ich freue mich, dass du hier mitliest!
8. Januar 2015 at 8:45 am
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